Reisedoku : Strothy goes Ape!

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SchwachSuper 

 

Die Panne oder auch die mobile Rettungssäule

Das ging auch bis zum kurzzeitigen stehenden Verkehr in Sao Paulo gut, bis plötzlich dieser „Tropensturm“ über uns hinweg fegte. Da es zu regnen begann, beschloss ich, das Fenster zu schließen – doch dieses hatte sich zuerst verabschiedet und der schwunghafte Druck auf die Aufwärtstaste des Fensters blieb ohne Folgen. Na toll – auch das noch! Mitten in der Rush Hour von Sao Paulo im Regen bei offenem Fenster… doch es sollte noch ein bisschen schlimmer kommen, da ich mitten auf der 3. von 4 Spuren der Autobahn plötzlich keine Sicht mehr nach vorne hatte, da sich der Front Scheibenwischer auch entschied, seinen Dienst zu quittieren, sodass ich plötzlich gezwungen war, einen kleinen aber feinen „Blindflug“ über die Autobahn von Sao Paulo zu machen.

Ich versuchte wenigstens meinen „Dickschädel“ durch das halb geöffnete Fenster zu strecken, um ein wenig besser sehen zu können, was mir leider verwehrt blieb. Da kommt eine Brücke… wenn ich da drunter aufgrund des Staus stehen bleibe,  kann ich wenigstens kurzzeitig ein bisschen besser sehen. Der Regen hörte unter der Brücke kurzzeitig auf und ich erschrak: Da waren quer über die Fahrbahnen überall Menschen verteilt, die ich noch gekonnt im Slalom umfahren konnte. Im Blickwinkel konnte ich auf der linken Spur noch eine Nothaltebucht ausmachen und diese direkt anfahren.

Kaum auf der Haltebucht angekommen, ging auch das Cachemobil prompt komplett aus! Ende! Aus! Vorbei!

Die Fahrt nahm ein gewaltiges und plötzliches Ende…

Was als erstes folgte, war der beherzte Griff in die Ablage, wo die Dokumente der Mietwagenstation lagen und ein weiterer zum Handy… da war es wieder: “Hello, I'm Sascha and I have a little problem!“ Ich kannte dieses berühmte und lange Schweigen schon von vorher „ohhh un momento“ kam zurück und ich wurde kurzerhand in die Warteschleife geschickt, wo es einen Moment dauerte bis eine weitere Stimme im gebrochenen Englisch mir versuchte klar zu machen, was sie von mir bräuchte… Der Name… Das Kennzeichen… Geht am Auto auch wirklich nichts mehr?... Gegenwärtige Position… Meine Position? Irgendwo auf der Autobahn in Sao Paulo brachte nicht wirklich was. Moment! Da! Ein Ausfahrtsschild!!! 600 Meter vor der Ausfahrt nach Santa Irgendwo und Via Drumherum (die genauen Orte kenne ich leider nicht mehr). Ah, alles klar hieß es nun… wir kontaktieren jetzt Ihre Station, bitte rufen Sie in spätestens 30 Minuten noch einmal bei uns an. Dann können wir Ihnen sagen, was nun genau los ist.

Ich bedankte mich und legte auf, stellte den Wecker meines Handys und beschloss, das Beste aus meiner Wartezeit zu machen. Erst mal eine rauchen…schließlich hatte es aufgehört zu regnen… also Tür auf und raus auf den Standstreifen. Plötzlich konnte ich erkennen, woher die Menschen unter der Brücke alle waren. Es sind Verkäufer, die es sich am Standstreifen der Autobahn zu ihrer Lebensaufgabe gemacht haben, dem Fahrer auch schon mal eine Cola auf den 2. Streifen zu bringen während der Verkehr munter weiter läuft!!! Mir fiel dazu nichts mehr ein, überlegte nur kurz, ob genau dieses bei uns in Deutschland auch möglich sei? So auf der A8 in Höhe des Bernauer Berges?

Die Zeit ging Gott sei Dank schnell rum, sodass ich mich für das 2. Telefonat wieder ins Auto setzte

Tut…..tut……tut….

“Hello, I'm Sascha und blablabla…“ dafür bekam ich auch die direkte Antwort : Ah, ok. Sie hatten schon einmal angerufen, oder? Jawohl, und ich sollte nach 30 Minuten nochmal zurückrufen… Ja wissen Sie, das Problem ist, das die Kollegin die Ihren Fall aufgenommen hat nun nicht mehr im Haus ist!!! Aber ich bin jetzt für Sie da und helfe Ihnen. Okay, und wie geht es jetzt weiter? Zuerst brauche ich mal Ihren Namen… das Kennzeichen… geht am Auto auch wirklich nichts mehr? Gegenwärtige Position? Selbst GPS Koordinaten habe ich angeboten, doch damit konnte die Dame am anderen Ende leider nichts anfangen. Geocaching ist halt nicht so weit verbreitet hier mitten in Brasilien…Sie notierte noch meine Handynummer, um im Erfolgsfall direkt zurückrufen zu können und bevor ich auflegte, ließ ich mir noch den Namen der netten Dame sowie ihre direkte Durchwahl geben…

Nach ungefähr 15 Minuten fing mein Handy an zu läuten… hier ist die Mietwagenstation und leider gibt es ein Problem…(wieder ein Schweigen!)… Es ist Karneval in Sao Paulo! Und Ihre Position… wir können Sie leider nicht lokalisieren, da Sie keine brasilianische Nummer besitzen. In dem Moment wurde mir zuerst ein wenig übel, bevor ich am Steuer meines Cachemobils ohnmächtig wurde… Spaß beiseite, der Mensch wächst in Extremsituationen über sich hinaus, so hatte ich schon in Gedanken jedes mögliche Szenario durchgespielt und mir einen genialen Notfallplan zurecht gelegt. Ich kann meine Position nicht durchgeben… Sie kann mich nicht orten… Es gab nur einen, der jetzt noch helfen konnte… DER STRASSENVERKÄUFER!

Einen Moment, hier stehen so lustige Lebensmüde herum, die können Ihnen sicher und ohne Verständigungsprobleme erklären, wo ich hier bin. Also raus aus dem Auto und hin zum Verkäufer, der jetzt in meinen Augen zur mobilen Notrufrettungssäule wurde… Was soll ich sagen, der Plan ging voll auf! „Alles klar, wir haben Sie jetzt!“ rief die Dame am anderen Ende… aber wir haben da noch ein kleines Problem… (Schweigen)… wir haben den Abschleppwagen kontaktiert und der ist in höchstens 3 Stunden bei Ihnen… der Verkehr und außerdem ist Karneval!

3 Stunden Wartezeit! Was machst du jetzt? Na gut, das Beste daraus… Verhungern und verdursten kannst du nicht. Sind ja genug Verkäufer da ;-) Ich beschloss, mir erst einmal etwas zu trinken zu besorgen und gab dem netten Herrn auch gleich ein noch netteres Trinkgeld für die Hilfe, die er geleistet hatte. Wir kamen so ins Gespräch und hatten die folgenden 3 Stunden eine Menge Spaß, nebenbei wurde mir noch gezeigt, wo ich denn überhaupt genau liegen geblieben bin… direkt neben dem Sambadrom und wir fingen gemeinsam an mitten auf der Autobahn in Sao Paulo mit mehreren Verkäufern im Regen Samba zu tanzen!!! Nebenbei wollte ich noch schnell ein paar Sachen aus dem Auto holen, als plötzlich direkt neben mir ein Auto anhielt und 2 junge Kerle mir Geld entgegen hielten… sie brauchen ganz dringend 1-2 Zigaretten… hatten gesehen, dass ich rauche und gedacht, da halten wir mal einfach schnell an! So durfte ich mich kurzerhand noch schnell selbst zum Autobahn-Aushilfs-Verkäufer ernennen und tat meine oberste Pflicht: Zigaretten verkaufen auf der Autobahn in Sao Paulo…

Es dauerte wirklich 3 Stunden bis plötzlich ein Abschleppwagen mit Blinken und Hupen heran fuhr… you Sascha? Yes Sir… auf geht's. Der Kleine wurde aufgebockt, ich nutzte die Zeit, um mich bei meinen neuen Freunden und Lebensrettern zu verabschieden… stieg in den Abschleppwagen und fuhr in den dunklen Nachthimmel von Sao Paulo dem Hotel entgegen…

Vielen lieben Dank, Brasilien! Ich habe dich in der kurzen Zeit lieben gelernt und lieben dürfen!

DANKE

… and I'm Sascha…